Dreiräder                                                                                                                                                                                                                                           1. 9. 22.


Vor- und Nachteile

Betätigung der Lenkung

einseitiger Antrieb

Federung

Hecklenkung

Kippsicherheit

Bauarten

Wichtige Kenngrößen


In der letzten Zeit hat das Dreirad einen erheblichen Aufschwung erlebt, vor allem

als Lastendreirad und

als Velomobil (voll verkleidetes Liegedreirad)


Die Lastendreiräder haben durch Motoren (und durch das Umweltbewußtsein) starken Schwung bekommen. Es gibt sie mit 2 Rädern hinten, als „Rikscha“ und 2 Rädern vorn

Velomobile sind vor allem in Holland verbreitet und beeindrucken durch guten Wetterschutz und einen Luftwiderstand der z. T. nur ca 20% von dem eines Rennrads beträgt. (Stirnfläche ca 0,4m2, cw-Wert ca 0,05) Der Einstieg ist allerdings meist nur etwas für sportliche Menschen, für Pendler auf ruhigen, nicht zu hügeligen Straßen aber eine sehr gute Lösung

Aus meiner Sicht hat das Dreirad folgende Vorteile:
+ langsam fahren problemlos möglich, z. B. am steilen Berg
+ höhere Gepäcktransportkapazität
+ auch mit Verkleidung wenig seitenwindempfindlich
+ geringere Sturzgefahr bei Glätte
+ höherer Aufmerksamkeitswert

Dem stehen auf der Minusseite gegenüber
- In Kurven treten hohe Seitenkräfte auf (die fast jeder Anfänger unterschätzt) deshalb stabilere Bauart erforderlich
- höheres Gewicht durch drittes Rad und stabilere Bauweise
  deshalb schlechtere Beschleunigung und Bergsteigefähigkeit
- entweder tiefer Sitz und schlechte Übersicht im Verkehr oder höherer Sitz und erhöhte Kippgefahr
- man fährt in drei mal so viel Löcher
- Unterbringung und Transport über Treppen, in Bahn Auto und Flugzeug schwieriger
- Bauaufwand viel höher
-  Reifenverschleiß höher, u. a. weil die Reifen immer nur auf der Mitte der Lauffläche laufen
- Durchkommen in der Stadt durch größere Breite erschwert
- Ziehen zur Seite beim Bremsen schwer vermeidbar
- Querneigung der Straße spürbar
- häufiger Reifenpannen
Das meiste gilt sinngemäß auch für Liegevierräder.
Diese sind etwas auf dem Vormarsch, vor allem weil sie auch bei schmaler Spur recht kippsicher sind.

Bei den Dreirädern gibt es außer den oben genannten Unterscheidungsmerkmalen noch die Unterschiede Antrieb vorn oder hinten, Lenkung vorn oder hinten,

Aus der größeren Anzahl von Nachteilen sollte man aber keine voreiligen Schlüsse ziehen, es kommt natürlich auf die persönliche Grwichtung der einzelnen Punkte an.


Für die Betätigung der Lenkung gibt es folgende Möglichkeiten


1 seitliche Lenkhebel, „Panzerlenkung“

2 Steuerknüppel „Tiller“

3 unten liegender Lenker

4 oben liegender Lenker

5 Schwenkgriffe z. B. bei Handantrieb über Hebel

6 direkt an der Radaufhängung angebrachte Griffe

Einseitiger Antrieb bei 2 Rädern hinten
Bei manchen Dreirädern hat man sich das Differential oder die beidseitigen Freiläufe erspart und treibt nur ein Rad, z. B. das linke an. Bei normaler Fahrt merkt man vom einseitigen Antrieb praktisch nichts. Nur bei ruckartigem Anfahren am steilen Berg kann schon mal das Vorderrad etwas versetzen.


Durch Sitzen auf der linken Sitzkante (bei Antrieb des linken Hinterrads) und Beugen des Oberkörpers nach links kann gezielt das Antriebsrad belastet werden und dadurch die Bergsteigefähigkeit auf Sand und Geröll deutlich verbessert werden.

Federung
Auch beim Dreirad halte ich eine Federung aller Räder für einen großen Gewinn an Komfort. Allerdings ist sie hier gewöhnungsbedürftig. Bei den ersten schnellen Richtungswechseln ist man regelrecht erschrocken über die ungewohnten Wankbewegungen aber nach ein paar hundert km hat man sich daran gewöhnt und genießt den Fahrkomfort.

Kippsicherheit

Zu den Skizzen unten: 2 Dreiräder, A mit 2 Rädern hinten und B mit 2 Rädern vorn, mit gleichem Gewicht, gleicher Spurweite, gleichem Radstand, gleichem Schwerpunktabstand t und gleicher Schwerpunkthöhe durchfahren eine Kurve mit der gleichen Geschwindigkeit v. Ihr Schwerpunkt bewegt sich dabei mit dem gleichen Kurvenradius R. Am Schwerpunkt greift die in beiden Fällen gleich große Fliehkraft F an. Bei überhöhter Geschwindigkeit werden beide über die Verbindungslinie der Radauflagepunkte 1 und 2 (Kippkante) kippen.(bei genügend Haftung der Reifen)

 Bei A liefert die Fliehkraft als Kippkraft die zur Kippkante senkrechte Komponente KA, entsprechendes gilt für B. Da der Abstand des Schwerpunktes von der Kippkante jeweils gleich ist und KA ca. 50% größer ist als KB kippt das Rad B erst bei 23% höherer Geschwindigkeit. (die Fliehkraft steigt mit dem Quadrat der Geschwindigkeit)

 Bei höheren Geschwindigkeiten und damit größeren Kurvenradien wird der Unterschied kleiner, beim zusätzlichen Bremsen wird er größer.

Andererseits kann bei A der Schwerpunktabstand t kleiner sein, da keine Traktionsprobleme und keine Gefahr des „Hintenhochkommens“ beim Bremsen bestehen.
Bei sonst gleichen Verhältnissen kippt das Dreirad später, dessen Schwerpunkt näher an der Achse mit 2 Rädern liegt

Eigene Erfahrungen: Das Urtrike von Peter Ross mit ca 23% Last auf der Hinterachse war extrem kippsicher, auf Waldwegen mit weniger als 10% Steigung begannen schon Traktionsprobleme.
Mit der Leitra mit ca 40% Last auf der Hinterachse waren die gleichen Wege kein Problem, ihre Kippsicherheit habe ich allerdings nicht ausgetestet.
Mein 3R7 mit Antrieb auf das linke Hinterrad, 300 Sitzhöhe, 860 Spur und 82% Last auf den Hinterrädern war praktisch nicht zum Kippen zu bringen. Wenn bei extremen Wegen doch mal das angetriebene Rad durchrutschte, habe ich mich so weit es ging nach links gelehnt und konnte mir so immer helfen
Die physikalische Kippgrenze ist erreicht, wenn die Verbindungslinie zwischen Schwerpunkt und Kippkante mit dem Boden einen Winkel von 45Grad bildet. Ist der Winkel kleiner, d. h. liegt der Schwerpunkt niedriger, kann das Fahrzeug nicht kippen (es sei denn, man bleibt z. B. an einem Bordstein hängen).Dies geht von dem theoretisch höchstmöglichen Reibwert zwischen Reifen und Fahrbahn von 1,0 aus.
In der Praxis hat man es mit erheblich niedrigeren Werten zu tun, Das Fahrzeug wird erheblich früher rutschen und nicht kippen, als nach den obigen Daten zu erwarten. Einen erheblichen Einfluß haben natürlich auch die Reifen.
Es gibt aber noch weitere Einflüsse. Die Haftreibung zwischen Reifen und Straße ist ungefähr 2- 3 mal so hoch wie die Gleitreibung (Darauf beruht die Wirkung von ABS). Wenn ein Velomobil also eine Lenkungsauslegung hat, die im Grenzbereich zu starkem Übersteuern des kurvenäußeren Rads führt, so wird dieses Fahrzeug erheblich später oder überhaupt nicht kippen, sondern seitlich wegdriften.
Daß die Kippgefahr im Alltag keine all zu große Rolle spielt, sieht man daran, dass von den 1600 AnthroTechs mit immerhin 440 Sitzhöhe anscheinend kaum mal eines umkippt und auch auf die Seite gelegte VW-Busse oder Daimler Sprinter scheinen Seltenheitswert zu haben. Eine gute Übersicht durch mittelhohe Sitzposition und steile Lehne, eine ordentliche Traktion auf Matsch und Schnee halte ich persönlich für Frau/Herrn Jedermann für wichtiger, als extreme Kippsicherheit

Hecklenkung
Bei Hecklenkung hat man mit folgenden Problemen zu tun:
Bei Frontlenkern haben die Vorderräder Nachlauf, wie bei Einspurern auch. Dies stabilisiert das Fahrzeug bei Geradausfahrt.
Weil in der Kurve die Fliehkraft des Fahrzeugs an den Lenkachsen angreift,die Haltekräfte aber an den dahinter liegenden Radaufstandspunkten, versucht die Fliehkraft, die Lenkung geradeaus zu stellen, d. h. der Fahrer muß das Fahrzeug in die Kurve hinein ziehen, beim Loslassen des Lenkers stabilisiert sich das Fahrzeug von selbst zur Geradeausfahrt.

Wenn bei Hecklenkern die Hinterräder ebenfalls Nachlauf haben, versucht die Fliehkraft in der Kurve, die Räder noch stärker einzuschlagen, das Fahrzeug neigt also zum Übersteuern, im Extremfall zum "Herumkommen" des Hecks wie ein alter Käfer.
Versucht man das zu vermeiden und gibt den Hinterrädern Vorlauf, fehlt die Stabilisierung bei Geradeausfahrt.
Wenn man bei Hecklenkern einem plötzlich auftauchenden Hindernis ausweichen will, muß man zunächst auf dieses zusteuern.
Wenn man mit einem Hecklenker genügend nahe an eine seitliche Wand heran fährt, kommt man von dieser nur durch Aussteigen und herum Heben des Fahrzeugs wieder frei . Heckgelenkte Dreiräder haben prinzipiell kein eigenstabiles Lenkverhalten. Das bedeutet, sie müssen ständig auf Kurs gehalten werden und können sich bei höheren Geschwindigkeiten in der Lenkung aufschaukeln und u. U. außer Kontrolle geraten. Dies kann durch geschickte Wahl der Geometrie und Schwerpunktlage und durch einen hydraulischen Lenkungsdämpfer gemildert, aber nicht beseitigt werden.
Darauf muß man sich einstellen. Die Drehachse für das oder die Hinterräder sollte HINTER der Radachse sein, weil sonst die Fliehkraft in der Kurve zu stärkerem Einlenken, „Übersteuern“und im Extremfall zum „Einschnappen“ der Lenkung führt.(Übersteuern bedeutet, man fährt einen engeren Bogen, als es dem Lenkeinschlag entspricht.)Hier noch eine Übersicht über die verschiedenen Bauarten


A bedeutet angetriebenes Rad B bedeutet gelenktes Rad


1 Man genießt optimale Kippsicherheit beim Bremsen in engen Kurven, weil dort - vereinfacht gesprochen - , wo die Resultierende aus Fliehkraft und Massenkraft aus der Verzögerung hin zeigt, sich ein Rad zum Abstützen befindet. (siehe auch unten „Kippsicherheit“)
Der Antrieb ist so einfach wie bei jedem anderen Fahrrad und kommt mit Standardteilen aus..
Beim Durchfahren von Hofeinfahrten usw. kann man die eigene Breite sehr gut abschätzen, weil man die beiden Räder sieht
Diese Fahrzeuge neigen tendenziell eher zum gutmütigen Untersteuern.

Die Lenkung muß so gestaltet sein, dass die Achsen aller Räder – wie beim Auto – in jedem Fahrzustand sich in einem Punkt schneiden d. h. das jeweils kurveninnere Rad muß stärker einschlagen, eine nicht ganz einfache Sache.(„Ackermann-Bedingung“) Außerdem dürfen Schlaglöcher und einseitiges Bremsen nicht zu stark in der Lenkung fühlbar sein, die auch noch leichtgängig sein sollte. Sehr gut gelungen ist dies z. B. beim AnthroTech, das sich sogar noch fahren lässt, wenn man eine Spurstange entfernt.


2 leicht zu bauen, etwas kippanfällig Die Lenkung ist so einfach und absolut zuverlässig wie bei jedem anderen Fahrrad (bei direkter Lenkung)
Selbst beim Bremsen aus hohen Geschwindigkeiten tritt keine Lenkunruhe auf und auch bei Extrembremsungen bergab kommt das Heck nicht hoch. 3 verlangt teure Gelenke in den Vorderrädern


4 bei mitschwenkendem Tretlager leicht zu bauen, aber nur kleiner Einschlag möglich


5 erfordert ein Kardangelenk


6 in den USA für Rennfahrzeuge wegen schmaler Bauart (und niedriger Stirnfläche) beliebt


7 einfach zu bauen


8 indirekte Lenkung oben, Lenübertragung durch eine oder 2 Lenkstangen, Kette oder Seile


9 braucht ein Karadangelenk


10 einfach zu bauen, etwas gewögnungsbedürftig


11 in Canada gab es mal so etwas, („Phebis“) Tretlager IM Vorderrad


12


13


14 durch schräg gestellte Lenkachse leichter Kurvenneiger-Effekt, meine „Forelle“ hatte aber etwas tückische Fahreigenschaften


15 gebaut von Röbi Stolz aus der Schweiz, die Hinterachse hängt an 2 hintereinander liegenden Gelenken, gelenkt wird über 2 Bügel, je höher man diese Bügel nimmt, desto mehr blockiert man das erste Gelenk und das Fahrzeug entspricht der Bauart 14


16 Kurvenneiger, versucht die Vorteile von Ein- und Zweispurern zu vereinigen; eine Ausführung mit besonders harmonischen Fahreigenschaftten hat Andreas Schlief in den Neunzigern entwickelt und einge Zeit in kleiner Serie gebaut


Wichtige Kenngrößen

1 Lenktrapez

2 Spurbreite

3 Nachlauf

4 Spreizung

5 Sturz

6 Lenkrollradius

7 Vorspur


1 besteht aus Spurstange, Lenkhebeln und Achse

2 Abstand der Miuttelpnkte der beiden Radaufstandsflächen

3 Abstand zwischen Radaufstandspunkt und Durchstoßpunkt der Lenkachse durch den Boden, führt zu Rückstellkräften der Lenkung

4 die Spreizung sorgt dafür, daß der Lenkrollradius klein oder Null ist und führt zu einer Rückstellkraft der Lenkung

5 sollte bei unseren Rädern normal Null sein

6 ein großer Lenkrollradius bringt einen starken Einfluß von Schlaglöchern auf die Lenkung

7 Die Vorspur verhindert bei Lagerspiel ein Flattern der Räder, sie sollte bei unsereen Fahrzeugen Null sein, weil sie den Leichtlauf und Reifenverschleiß stark beeinflußt