Gemeinwohlökonomie
Seit dem Zusammenbruch des Ostblocks mit seiner (angeblich) sozialistischen Wirtschaftsordnung sehen viele unsere derzeitige Kapitalistische Wirtschaftsordnung als einzig denkbare Möglichkeit an (schon M. Thatcher meinte „there is no alternative“ bekannt als „TINA“)
Die Basis ist Gewinnstreben und Konkurrenz, die Leitprinzipien des Kapitalismus sind
- aus Geld mehr Geld zu machen (Hauptzweck der Wirtschaft)
- Jede mögliche Wertschöpfung zu privatisieren.
Aus diesem Leitprinzip haben sich weitere Prinzipien kapitalistischer Wirtschaftsweise entwickelt:
• das Verwertungsprinzip: Alles muss zur Geldvermehrung verwertet werden, „muss sich rechnen“: jede Tätigkeit, Natur, Mensch, Kultur, Religion.
• das Wachstumsprinzip: auf Grund des Profitmaximierungs- und
Konkurrenzprinzips immanenter Wachstumszwang: Wer nicht mit wächst,
fällt raus;
Nobelpreisträger v. Hayek schrieb immer wieder: "Wettbewerb ist die effizienteste Methode, die wir kennen" Zur Frage "Motiviert Wettbewerb stärker, als jede andere Methode?" fand Christian Felber 369 Studien aus Sozialpsychologie, Spieltheorie und Neurobiologie. 87% davon kamen zum Ergebnis NEIN! Kooperation motiviert stärker.
Die Kombination aus Gewinnstreben und Konkurrenz fördert
Egoismus, Gier, Geiz, Neid, Rücksichtslosigkeit und Verantwortungslosigkeit
In der herkömmlichen Wirtschaft ist der Hauptanreiz ein möglichst hoher Gewinn.
Die Kapitalistische Marktwirtschaft brachte:
Finanzblasen
Arbeitslosigkeit
Verteilungskrise ("Schere")
Klimakrise
Energiekrise
Hungerkrise
Konsumkrise
Sinnkrise
Demokratiekrise
Nach einer Umfrage der Bertelsmannstiftung vom August 2010 wünschen sich 88% der Menschen in Deutschland eine andere Wirtschaftsordnung
Christian Felber ist der Hauptinitiator einer neuen Wirtschaftsordnung. Er ist 72 b. Salzburg geboren, studierte romanische Philologie, spanisch, Politikwissenschaft, Psychologie und Soziologie, Mitbegründer von Attac Österreich, Lektor a. der wirtschaftswissenschaftlichen Univ. Wien, schrieb 15 Bücher, er hat viele Vorträge über Probleme der jetzigen Wirtschaft und zukunftsfähige Alternativen gehalten; Nach einem Vortrag 2009 kamen rund ein Dutzend Unternehmer zu ihm und meinten „Sehr schön, was Sie da erzählten, und was können wir konkret tun?“
Daraus ist eine Gruppe von ca.30 Unternehmern entstanden, die ein erstes Konzept erarbeitet hat. Am 6. 10. 2010 erfolgte dann die offizielle Gründung . Rund 2 Dutzend Unternehmer erklärten sich spontan bereit, freiwillig eine Gemeinwohlbilanz zu erstellen. Dazu dient die sogenannte Gemeinwohlmatrix.
Was hat es damit auf sich?
Geändertes Wertesystem
Der Ausgangspunkt für Christian Felber war die Beobachtung, dass im Privatleben ganz andere Werte gelten, als in der Wirtschaft.
In den zwischenmenschlichen Beziehungen geht es uns gut, wenn wir menschliche Werte leben:
Vertrauensbildung
Ehrlichkeit
Kooperation
gegenseitige Hilfe
Teilen
Die Wirtschaft beruht auf den Grundwerten
Gewinnstreben
Konkurrenz
Die Gemeinwohlökonomie bietet ein anderes Anreizsystem für die Unternehmen.
Die Unternehmen erstellen neben der üblichen Bilanz eine Gemeinwohlbilanz.
Als Grundlage für eine derartige Bilanz wurde eine so genannte Gemeinwohlmatrix erarbeitet, die vorgibt, für welche Maßnahme man wie viele Punkte bekommt.
Auch diese Matrix soll in einem basisdemokratischen Verfahren weiter entwickelt werden.
Die Punkte erhalten Unternehmen für die folgenden Werte, bezogen auf die darunter stehenden Berührungsgruppen
1 Menschenwürde,
2 Solidarität,
3 Ökologische Nachhaltigkeit
4. Gerechtigkeit
5 Demokratische Mitbestimmung, Transparenz
Diese Werte werden auf folgende Personengruppen bezogen
A Lieferantinnen
B Geldgeberinnen
C Mitarbeiterinnen
D Kundinnen, Produkte, Mitunternehmen
E Gesellschaftliches Umfeld
Beispiele für Elemente dieser Matrix:
C4(Gerechtigkeit für MitarbeiterInnen) ein Verhältnis von höchsten zu niedrigsten Einkommen im Unternehmen von möglichst nicht über 20
E2: (Solidarität mit dem gesellschaftlichen Umfeld)
Kantine oder Kindergarten, die auch der Bevölkerung zur Verfügung stehen
D4 (soziale Gestaltung der Produkte) Negativbeispiel: Waffen!
Außerdem gibt es noch Negativkriterien wie z. B. Umgehung der Steuerpflicht.
Ein gutes Abschneiden bei dieser Bilanz hat für das Unternehmen folgende Vorteile:
- eine positive Selbstdarstellung nach außen
- bei entsprechender Verbreitung eine Bevorzugung bei der Vergabe von
Aufträgen der öffentlichen Hand
- nach diesbezüglichen Gesetzesänderungen Begünstigungen bei Steuer, Zöllen, Krediten und in der Forschung
- ethisch ausgerichtete Personen werden besonders angezogen (als Mitarbeiterinnen und Kundinnen)
Weitere Elemente der GWÖ,
die bei entsprechender Verbreitung der GWÖ umgesetzt werden sollen.
(Vorteil der GWÖ: das Kernstück, die Gemeinwohlbilanz kann schon jetzt umgesetzt werden, ohne auf den Gesetzgeber warten zu müssen.
1 Demokratische Allmenden
Unternehmen, deren Arbeit der unmittelbaren Daseinsfürsorge dient, sollten nicht dem Gewinnstreben unterliegen, sondern von der Bevölkerung direkt kontrolliert und gesteuert werden, z. B. als Genossenschaften oder Stiftungen, (nicht verstaatlicht werden.)
Dazu gehören Unternehmen der Trinkwasser- und Energieversorgung, Eisenbahnen, Krankenhäuser, Altenheime, Schulen, Universitäten, Fernsehanstalten und letztlich überhaupt Medien, Steuerung des Internets. Felber nennt das demokratische Allmenden. Zur Zeit läuft die Entwicklung wegen chronischem Geldmangel der Kommunen leider eher anders herum.
Zeitungen im Privatbesitz z. B. sind im Prinzip schon über das Anzeigengeschäft erpreßbar. Außerdem hat der Eigentümer meist eine bestimmte politische Meinung und beeinflußt bewußt oder unbewußt die Redaktion
Beispiele zu unabhängigen Medien: Publik Forum und TAZ.
Private Betreiber von Eisenbahnen, Krankenhäusern sind der Versuchung ausgesetzt, z. B. Wartungkosten zu sparen.
In Mexiko hat vor einigen Jahren eine Privatfirma das Wasserleitungsnetz einer großen Stadt übernommen und nach kurzer Zeit die Wasserpreise fast verdoppelt. Es ist zu so starken Unruhen gekommen, daß die Stadt das Netz wieder zurück kaufen mußte.
Speziell beim Internet wird das auf jeden Fall noch ein harter Kampf.
2 Weiterentwicklung der Demokratie
(Ergänzung der repräsentativen durch direkte und partizipative Demokratie)
Bürger können z. B. nach einem mehrstufigen Plebiszitverfahren vom Parlament erlassene Gesetze verhindern und selbst Gesetze auf den Weg bringen
3 Neuordnung des Bankensystems
-Es wird eine „Bank für Gemeinwohl" gegründet (ist bereits geschehen)
-Die Bank ist subsidiär aufgebaut .
-Es gibt keine Spar- und Kreditzinsen mehr
-Es gibt keine Fonds mehr
-Private Banken dürfen nur in nicht gewinnorientierter Form, z. B. als Genossenschaft betrieben werden.
4 Eine Änderung des Internationalen Finanzwesens
Nach dem Vorschlag von J. M. Keynes wird eine globale Währungskooperation eingerichtet, die nicht auf dem Dollar beruht
5 Einführung eines generellen Freijahrs je 10 Jahre Arbeitszeit; während dieser Freistellung erhält der Beschäftigte den gesetzlichen Mindestlohn,
6 Begrenzung des Privatvermögens auf 10 Millionen Euro je Person
7 Neuordnung des Erbrechts
(Bayerische Verfassung Art. 123 „Die Erbschaftssteuer dient auch dem Zweck, die Ansammlung von Riesenvermögen in den Händen einzelner zu verhindern“)
Familienunternehmen können bis zum Wert von 10 Millionen je Familienmitglied vererbt werden
Bei Finanz- und Immobilienvermögen Begrenzung auf 500 000 Euro je Person.
Die sich daraus ergebenden Einnahmen des Staates werden auf die neu ins Erwerbsleben eintretenden Bürger verteilt als
8 Demokratische Mitgift (In Deutschland ergäbe das nach einer Übergangszeit etwa
20 000 Euro)
9 Neuordnung der Betriebsverfassung
Ab 250 Beschäftigten erhalten die Belegschaft und die Öffentlichkeit (vertreten durch direkt gewählte regionale Wirtschaftsparlamente) 25% der Stimmrechte, ab 500 50%, ab 1000 zwei Drittel, Betriebe mit mehr als 5000 Beschäftigten sollen gänzlich in das Eigentum der Beschäftigten oder der Allgemeinheit übergehen, Aktiengesellschaften soll es nicht mehr geben)
Unternehmen dürfen nach wie vor Gewinn erzielen, es kommt aber darauf an, was mit dem Gewinn geschieht
Erlaubte Verwendung von Gewinn:
Investitionen (mit sozialem und ökologischem Mehrwert), Rückzahlung von Krediten, Rückstellungen für Verluste, Aufstockung des Eigenkapitals auf 100%, Ausschüttung an die Mitarbeiterinnen, Leihgabe an Mitunternehmerinnen
Nicht erlaubte Verwendung von Gewinn:
Ausschüttung an nicht im Unternehmen arbeitende Eigentümerinnen, Firmenaufkäufe und Fusionen gegen deren Willen, Finanzinvestment, Parteispenden,
Da Gewinn nur noch Mittel aber kein Ziel mehr ist, können Unternehmen ihre optimale Größe anstreben und müssen nicht mehr Angst haben,“ gefressen“ zu werden, sie müssen auch nicht wachsen, um größer, stärker oder profitabler als andere zu sein.
10 Die Erwerbsarbeit wird schrittweise auf das mehrheitlich gewünschte Maß von 25 - 30 Wochenstunden reduziert.
11 Einrichtung von demokratisch gewählten Konventen
zunächst auf kommunaler Ebene, später auf nationaler, dann auch auf EU-.Ebene sollen direkt gewählte Konvente für die Bereiche Wirtschaft, Bildung, Daseinsvorsorge, Medien eingerichtet werden
Der nationale Wirtschaftskonvent legt auch fest, was Gemeinwohl ist.
12 Würdigung der Natur
Der Natur wird in der Verfassung ein Eigenwert zuerkannt
13 Einführung neuer Fächer in der Schule:
Wertekunde, Gefühlskunde, Kommunikationskunde, Demokratiekunde, Genderkunde, Naturerfahrens- oder Wildniskunde
Wie weit das Interesse an der GWÖ bereits verbreitet ist, sieht man auch daran, daß C. Felber allein im März/April 16 zu Vorträgen in folgenden Städten eingeladen wurde:
Valencia, Freiburg, Brüssel, Tuttlingen, Vaihingen/Enz, Landshut, Ingolstadt, Madrid, St. Anton /AT, Wien , Wien, Tarragona, Berlin, Ulm, Hohenems/AT, Kirchheim/Teck, St. Vergil, Gramastetten/AT, Zürich, St. Vergil/AT
Weitere Hinweise darauf, daß die GWÖ bereits mehr ist, als eine schöne Idee
- Stuttgart hat 100 000 Euro für einen Forschungsantrag zur GWÖ zur Verfügung gestellt
- Der europäische Wirtschaftsrat in Brüssel empfiehlt die Ausrichtung nach GWÖ
- Es gibt inzwischen 350 Unternehmen, die eine GWÖ – Bilanz erstellt haben z. B. Sparda –Bank München, Vaude Outdoor Bekleidung, TAZ
-die Uni Valencia hat die Einrichtung eines Lehrstuhls für GWÖ beantragt
- In Südtirol gibt es demnächst GWÖ – Gemeinden
- Die Gemeinwohl – Bewegung baut in Zusammenarbeit mit der UNESCO in Barcelona einen Lehrstuhl für GWÖ auf <Buch „Geld“ von C. Felber, S.246>
Im Januar ist die erste GWÖ – Gruppe in Afrika gegründet worden
Gemeinsam mit der Universität Santiago de Chile wird eine GWÖ – Buchhaltung entwickelt
Was kann ich tun?
Als Mensch, der eine Veränderung des derzeitigen Wirtschaftssystems für notwendig ansieht:
- sich als Unterstützer auf der Homepage eintragen
- in einer Gruppe, hier "Energiefeld" genannt, mit arbeiten oder eine neue Gruppe bilden
- die Idee der Gemeinwohlökonomie im Bekanntenkreis, im Verein, in einer Partei, am Arbeitsplatz weiter verbreiten
- im Forum auf der Homepage aktiv an der weiteren Gestaltung der
Gemeinwohlökonomie mit arbeiten
-die Arbeit an der Gemeinwohlökonomie finanziell unterstützen
Als Unternehmer:
- um festzustellen, wo ich stehe, eine Gemeinwohl - Bilanz erstellen
- mit einigen anderen Unternehmen gemeinsam eine Gemeinwohl - Bilanz erstellen (eine "Peergruppe" bilden)
Nachtrag
Die Gemeinwohlökonomie (GWÖ)ist sicher nicht die beste vorstellbare Wirtschaftsform der Welt, viele Punkte sind auch nicht völlig neu.
Ihre Anhänger erheben nur eine Forderung: die vorgestellten Elemente in einem breiten demokratischen Prozess intensiv zu diskutieren.
Nach Abschluß dieses Prozesses könnte das Ergebnis von einem direkt gewählten Wirtschaftskonvent in Gesetze gegossen werden, über die der demokratische Souverän (das Volk) abstimmt..
Manches, vor allem die Erstellung einer Gemeinwohl-Bilanz wird jetzt schon von über 350 Betrieben umgesetzt
Auf Manche macht die GWÖ den Eindruck, sie wolle das Handeln von Individuen regeln und dadurch die menschliche Freit einschränken, die Regelungsvorschläge der GWÖ beziehen sich jedoch nur auf juristische Personen, vor allem Unternehmen.
Ziel der GWÖ ist die Vergrößerung der Freiheit für die Menschen, denn
- Die Konzentration von Macht in der Wirtschaft wird gebremst und gestoppt
- Nicht alle Lebensbereiche werden „ökonomisiert“
- Es wird mehr Zeit für andere Lebensbereiche frei, als Erwerbsarbeit
- Der Werbeterror läßt nach
- Unsre Kinder werden nicht einseitig auf Konsum ausgerichtet
- Wir agieren nicht gegeneinander, sondern miteinander
- Lobbyismus und Korruption in der Politik gehen zurück
- Die Demokratie kann wieder atmen
- Die Regeln für die Wirtschaft werden nicht auf der Basis von nicht überprüften Glaubenssätzen, sondern demokratisch gebildet
- Literatur: Christian Felbers Buch "Gemeinwohl-Ökonomie, das Wirtschaftsmodell der Zukunft",
- weitere Informationen: https//web.ecogood.com
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